Versorgungssicherheit in der Schweiz: Herausforderungen und Lösungsansätze für eine klimaneutrale Zukunft

27.05.2024 | Marco Bürgi, GFS Bern

Die Schweiz steht vor der grossen Herausforderung, eine sichere und klimaneutrale Energieversorgung zu gewährleisten. Eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag des Verbands Schweizer Elektrizitätsunternehmen (VSE) zeigt, dass die Schweizer Bevölkerung weiterhin mehrheitlich hinter der Energiepolitik steht und die Förderung erneuerbarer Energien unterstützt. Dennoch bleiben Fragen zur Versorgungssicherheit und der Kosten der Energiewende umstritten.

Die Energiepolitik 2050 wird in der Bevölkerung ungebrochen grossmehrheitlich gestützt. Die Unterstützung dafür ist aber nicht bedingungslos: die Sicherstellung der Versorgungssicherheit bleibt der zentrale Anspruch.

Die Studie des gfs.bern zeigt, dass 57% der Schweizer Stimmberechtigten mit der aktuellen Energiepolitik eher oder sehr einverstanden sind. Besonders hoch ist die Zustimmung bei den Anhänger:innen der GLP, der Mitte und den Grünen, während einzig Sympathisant:innen der SVP mehrheitlich unzufrieden sind. Die Stabilität in der Zustimmung ist ein klares Indiz für das Vertrauen der Bevölkerung in die Energiepolitik.

Versorgungssicherheit bleibt im Trilemma der Stromproduktion zwischen Versorgungssicherheit, bezahlbarem Strompreis und klimaneutraler Energieproduktion auch 2024 die häufigste Priorität. Allerdings hat ihre Bedeutung leicht abgenommen, da klimaneutrale Energieproduktion und Strompreise zunehmend wichtiger werden. Anhänger:innen der Grünen und SP priorisieren die Klimaneutralität, während GLP-, Mitte- und FDP-Anhänger:innen weiterhin die Versorgungssicherheit in den Vordergrund stellen, und SVP-Anhänger:innen geteilter Meinung zwischen Versorgungssicherheit und Strompreisen sind.

Eine knappe Mehrheit der Stimmberechtigten gibt an, besorgt zu sein, wenn sie an die zukünftige Versorgungssicherheit denken. Diese Sorge ist besonders im rechts-bürgerlichen Lager verbreitet. Die Studie zeigt dabei, dass die Bevölkerung den Staat in der Verantwortung sieht, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und dabei auf eine inländische Stromproduktion gesetzt werden soll.

Photovoltaikanlagen auf bestehenden Infrastrukturen und Wasserkraft sind unbestritten, PV in Alpingebieten und Windkraft gewinnen an Zustimmung. Der Weiterbetrieb der bestehenden Atomkraftwerke ist unbestritten, neue Anlagen polarisieren allerdings.

Die Befragung zeigt ein klares Bekenntnis zur Förderung erneuerbarer Energieformen und zur Energiewende allgemein. So gelten insbesondere der Ausbau von Solaranlagen auf Infrastrukturen und von Wasserstoff sowie die Förderung der Energieeffizienz und von erneuerbaren Energien in der Schweiz als wichtigste Massnahmen um Strommangellagen zu vermeiden. Von den konkreten Standorten für Anlagen zur Stromproduktion sind Solaranlagen auf bestehender Infrastruktur sowie auf allen geeigneten Dächer und an Fassaden gänzlich unumstritten. Gestiegen ist ausserdem die Zustimmung zu Anlagen die direkter in die Natur gebaut werden: So sind die Befragten einverstanden mit Windrädern auf Hügeln, die vom eigenen Balkon aus sichtbar sind, und neu ist auch eine minimale Mehrheit mit grossen Solaranlagen auf freien Wiesen in den Bergen einverstanden.

Die Diskussion über den Neubau von Atomkraftwerken spaltet jedoch die Bevölkerung. Insgesamt sind 49% der Befragten offen für eine erneute Diskussion, wobei ein deutliches Partei- und Altersgefälle erkennbar ist. Besonders Anhänger:innen der FDP und SVP sowie ältere Stimmberechtigte befürworten die Debatte, während jüngere und linksgerichtete Wähler diese mehrheitlich ablehnen. Wichtig ist hier die Unterscheidung der Kraftwerktypen, denn die Bevölkerung hält einzig den Bau von Atomkraftwerken der nächsten Generation (Generation 4.0) für (knapp) mehrheitlich sinnvoll. Anlagen wie sie heute gebaut werden, werden hingegen von einer Mehrheit nicht als sinnvoll betrachtet. Trotzdem ist eine grosse Mehrheit dafür, die Laufzeiten bestehender Atomkraftwerke zu maximieren, selbst wenn dafür staatliche Mittel aufgewendet werden müssen.

Ein weiteres kontroverses Thema ist die vollständige Öffnung des Strommarktes. Eine knappe Mehrheit der Befragten unterstützt diese Massnahme, bleibt jedoch voraussichtlich beim aktuellen Anbieter. Die Offenheit für ein Stromabkommen mit der EU hat sich im Vergleich zum Vorjahr abgekühlt, besonders wenn dafür Zugeständnisse gemacht werden müssen.

Wichtigstes in Kürze

Die Ergebnisse der dritten Befragungswelle in der Studienserie zur Versorgungssicherheit 2024 verdeutlichen die breite Unterstützung für die Förderung erneuerbarer Energien und die Energiewende in der Schweiz. Die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter der aktuellen Energiepolitik und sieht die Sicherstellung der Versorgungssicherheit als zentrale Aufgabe. Gleichzeitig zeigen sich jedoch auch klare Konfliktlinien, insbesondere in der Debatte um Atomkraft und die Kosten der Energiewende. Die breite Unterstützung für erneuerbare Energien bietet dabei eine solide Grundlage, auf der die Schweiz ihre energiepolitischen Ziele aufbauen kann.

Technische Details

Die Studie zur Versorgungssicherheit 2024 basiert auf einer repräsentativen Befragung von 1’004 stimmberechtigten Personen in der Schweiz. Die Datenerhebung fand zwischen dem 5. und 19. März 2024 mittels computergestützter Telefoninterviews (CATI) und Onlinebefragungen auf einem hauseigenen Panel statt. Befragt wurden die Teilnehmenden durch ein Random Digit Dialing (RDD)/Dual-Frame-Verfahren via Festnetz und Handy sowie zufällig eingeladene Panelist:innen.

Die Stichprobe wurde entlang der Sprachregionen, nach Bildung, Alter/Geschlecht sowie nach Siedlungsart gewichtet. Eine inhaltliche Gewichtung erfolgte entlang der Parteiaffinitäten. Der statistische Fehler beträgt ±3.1 Prozentpunkte bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit.

Mehr im Informationen zur Studie Versorgungssicherheit finden Sie in unserem Onlinecockpit.

Sämtliche Details und Ergebnisse der Studie können im Schlussbericht nachgelesen werden.

Eine Übersicht zu den methodischen Details finden Sie hier.


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Marco Bürgi

Marco Bürgi

Projektleiter