Neue Studie beleuchtet Gerechtigkeit in der Schweiz: Wahrnehmung, Herausforderungen und Lösungsansätze
Wie gerecht ist die Schweiz wirklich?
Das Gerechtigkeitsbarometer 2024, durchgeführt von gfs.bern im Auftrag des Beobachters und unterstützt von Coop Rechtsschutz, liefert neue Erkenntnisse zur Wahrnehmung von Gerechtigkeit in der Schweiz.
Eine repräsentative Befragung von über 5.400 Personen zeigt, dass 54 % der Befragten die Schweiz als „eher gerecht“ oder „sehr gerecht“ empfinden. Dennoch sehen viele Bürgerinnen und Bürger erhebliches Verbesserungspotenzial. Themen wie Kriminalität sowie die Ausschaffung krimineller Ausländer:innen, stagnierende Löhne, geschlechtsspezifische Ungleichheiten und die politische Vernachlässigung der „kleinen Leute“ gehören zu den zentralen Kritikpunkten.
Während jüngere Menschen und Stadtbewohnerinnen und -bewohner die Gerechtigkeit positiver wahrnehmen, sehen ältere, ländlich geprägte Personen oder Menschen mit niedrigerem Einkommen grössere Defizite. Auffallend ist zudem die politische Polarisierung: Anhängerinnen und Anhänger linker Parteien fokussieren auf Themen wie Geschlechtergerechtigkeit und nachhaltiges Wirtschaften, während konservative Befragte die Bekämpfung von Kriminalität und Sozialmissbrauch priorisieren.
Herausforderungen: Ungerechtigkeiten im Alltag
Fast zwei Drittel der Befragten (63 %) haben kürzlich persönliche Erfahrungen mit Ungerechtigkeit gemacht. Besonders betroffen sind der Arbeitsplatz (25 %) und Interaktionen mit Behörden (23 %). Frauen berichten häufiger von Diskriminierungen im Berufsleben, während Männer häufiger Ungerechtigkeiten im Behördenkontakt erleben. Weiterhin zeigt die Studie, dass systematische Benachteiligungen – insbesondere gegenüber Frauen und Menschen mit Behinderungen – breit anerkannt werden, während Ungerechtigkeiten gegenüber LGBTQI-Personen und Menschen mit Migrationshintergrund weniger häufig thematisiert werden.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Wahrnehmung von Gerechtigkeit stark von individuellen Lebensumständen abhängt. So fühlen sich Personen aus höheren sozialen Schichten häufiger privilegiert, während Bürgerinnen und Bürger mit geringerem Einkommen oder niedrigerer Bildung grössere Ungleichheiten wahrnehmen.
Gemeinsam für eine gerechtere Schweiz
Die Studie zeigt auch Lösungsansätze auf: Neben einem klaren Auftrag an Politik und Wirtschaft sieht die Bevölkerung NGOs und die Zivilgesellschaft als wichtige Akteure zur Förderung von Gerechtigkeit. Individuelle Beiträge, wie der Konsum fairer Produkte oder die Reduktion des ökologischen Fussabdrucks, werden von vielen als machbare Schritte gesehen. Gleichzeitig wünscht sich die Bevölkerung ein stärkeres Engagement des Staates sowie klare Massnahmen zur Förderung von Chancengleichheit.
Das Gerechtigkeitsbarometer 2024 betont, dass Gerechtigkeit in der Schweiz viele Facetten hat. Es unterstreicht die Notwendigkeit, gesellschaftliche und politische Kräfte zu bündeln, um bestehende Ungleichheiten nachhaltig abzubauen. Die vollständige Studie ist auf der Webseite von gfs.bern verfügbar.
Technische Details
Der Gerechtigkeitsbarometer 2024 im Auftrag des Beobachters basiert auf einer repräsentativen Befragung von 5’447 Personen in der Schweiz. Die Datenerhebung fand zwischen dem 20. August und dem 23. September 2024 in Kombination einer offenen Befragung, beworben via Ringier Onlinemedien (4’947 Interviews) und einer Befragung im hauseigenen Panel (500 Interviews) statt.
Die Stichprobe wurde entlang der Sprachregionen, Alter/Geschlecht sowie nach Siedlungsart gewichtet. Eine inhaltliche Gewichtung erfolgte entlang der Parteiaffinitäten. Ausserdem wurde nach der Befragungsmethode gewichtet. Der statistische Fehler beträgt ±1.3 Prozentpunkte bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit.
Sämtliche Details und Ergebnisse der Studie können im Schlussbericht nachgelesen werden.
Eine Übersicht zu den methodischen Details finden Sie hier.