Ambivalente Meinungen zu Europa und der EU im Alltag

25.10.2024 | Martina Mousson, GFS Bern

2024 ist für die Schweizer Beziehungen zu Europa ein wegweisendes Jahr. Der Bundesrat plant den Abschluss der Vertragsverhandlungen mit der EU hin zu einer Modernisierung und Ausweitung der bestehenden Bilateralen Verträge. Gleichzeitig wurden die Bilateralen I vor 25 Jahren und die Bilateralen II vor 20 Jahren unterschrieben. Diese Ereignisse gaben den Anlass, Schweizer Stimmberechtigte zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und Europa zu befragen und so ein Meinungsbild nach 25 Jahren Bilateralen Verträgen zu erstellen, welches Vor- und Nachteile aus dem eigenen Alltag heraus beurteilt.

Europa

Die Umfrage stiess auf reges Interesse: 19’955 Stimmberechtigte haben sich zwischen dem 16. und dem 30. September 2024 an der Online Umfrage, welche über die SRG-Kanäle beworben wurde, beteiligt.

Auch die Ergebnisse verweisen auf ein grosses Interesse an den Themen Europa und EU, jedoch auf gemischte Gefühle gegenüber der EU im Spezifischen: 49 Prozent der Stimmberechtigten hegen negative Gefühle gegenüber der EU. Für eine Minderheit von 28 Prozent dominieren positive Gefühle. Solche negativen Meinungen sind inhaltlich im Verlust nationaler Souveränität, in der Bürokratie der EU und einem als undemokratisch empfundenen Entscheidungsprozess begründet. Positive Ansichten betonen die EU als Friedens- und Wohlstandsprojekt, die wirtschaftlichen Vorteile und die Einbindung in eine grössere Gemeinschaft.

Eine Mehrheit der Schweizer:innen sieht die Bilateralen Verträge insgesamt positiv, insbesondere in links-grünen Kreisen, während SVP-nahe Stimmberechtigte und Parteiunabhängige kritischer sind. Die Bilateralen Verträge gelten als wirtschaftlich wichtig, insbesondere für den Zugang zum europäischen Markt und zur Abfederung des Fachkräftemangels. Jedoch beurteilen viele die Relevanz dieser Vertragswerke für sich persönlich geringer.

Einschätzung Wichtigkeit Bilaterale Verträge mit der EU

Zu den negativen Auswirkungen der Bilateralen Verträge zählen für Mehrheiten eine verstärkte Zuwanderung, eine zusätzliche Belastung der Sozialwerke, der Lohndruck sowie steigende Miet- und Immobilienpreise.

Die breit geteilten Ansichten, die EU sei ein demokratischer Moloch und könne auf die grossen Herausforderungen dieser Welt nicht ausreichend regieren, zeigen keine Wirkung auf die Beurteilung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Werden jedoch die Beziehungen zur Europäischen Union für die einzelnen Mitgliedstaaten gänzlich in Frage gestellt oder herrschen Zweifel am Fortbestand der Europäischen Union respektive deren demokratischen Integrität vor, werden die Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union als zu weitreichend taxiert. Umgekehrt verringert eine Nutzensicht –  wirtschaftlich oder gesellschaftlich – diese Haltung.

Bezüglich der Zukunft der Schweiz-EU-Beziehungen befürworten 71 Prozent der Stimmberechtigten grundsätzlich die laufenden Verhandlungen zur Weiterentwicklung der bilateralen Abkommen, wobei die Dringlichkeit unterschiedlich eingeschätzt wird. Insgesamt ist die Haltung des Schweizer Stimmvolkes gegenüber der EU und den Bilateralen Verträgen von Ambivalenzen und starken politischen Differenzen geprägt.

Mehr Informationen Studie «Europa im Alltag» finden Sie im Kurzbericht zur Studie.


Sie haben Fragen zu diesem Beitrag? kontaktieren Sie unsere Expertin oder unseren Experten zu Hintergründen, Einordnungen sowie den eingesetzten Methoden und Modellen.

Martina Mousson

Martina Mousson

Projektleiterin