Absturz der BVG Reform: Historische Schlappe, aber nach bekanntem Muster
Die Revision der zweiten Säule wird von der Schweizer Stimmbevölkerung am 22. September 2024 überdeutlich abgelehnt. Die 32 Prozent Ja-Stimmen* für die Revision der beruflichen Vorsorge entsprechen dem dritttiefsten Wert eines Referendums seit dem Jahr 2010, dem letzten Versuch den Mindestumwandlungssatz anzupassen. Damals wurde die Vorlage mit 27 Prozent Ja-Stimmen versenkt. Noch tiefer war die Zustimmung einzig zur Managed Care Vorlage (24% im Jahr 2012).
Die Meinungsbildung verlief bei der BVG-Reform entlang eines deutlichen, aber keineswegs neuartigen Musters. Vor gut einem Jahr herrschte unter den Stimmberechtigten noch mehrheitliche Zustimmung zur Reform der zweiten Säule. Die genauen Inhalte sind in dieser frühen Phase noch nicht allen geläufig und weder die Pro- noch die Kontra-Kampagne hat mit der Kommunikationsarbeit begonnen. Bis zum Beginn der heissen Kampagnenphase im Sommer hat die Befürworter:innen-Seite bereits einiges an ihrem Vorsprung eingebüsst. Gemäss der SRG-Trend-Befragungen vom Anfang August war die Stimmung mittlerweile recht ausgeglichen, mit einem minimalen Vorsprung für die Pro-Seite. Insgesamt haben zu diesem Zeitpunkt 49 Prozent angegeben, ein Ja in die Urne legen zu wollen. Einen Monat später, und somit gut drei Wochen vor dem heutigen Abstimmungssonntag, hat sich die Stimmung weiter in Richtung Nein verschoben, die Zustimmung lag dann noch bei 42 Prozent, eine Ablehnung der Vorlage zeichnete sich ab. Das schlussendliche Abstimmungsresultat von 32 Prozent Ja Anteil* ist somit zwar auf jeden Fall als historische Abfuhr an Bundesrat und Parlament, die die Vorlage entworfen haben, zu werten. Gleichzeitig ist es aber auch die Fortsetzung des Nein-Trends, der sich während der laufenden Kampagne abgezeichnet hat. Für Behördenvorlagen wäre der Normalfall eigentlich eine Zunahme der Zustimmung je näher der Abstimmungstermin kommt.
AHV Rechnungsfehler als Knackpunkt während der Hauptkampagne
Obwohl es um die Reform der zweiten Säule geht, wurde die Dynamik im Abstimmungskampf entscheidend durch ein Ereignis aus der ersten Säule verändert: dem AHV-Rechnungsfehler. Der für Behördenvorlagen zentrale Vertrauensbonus von Bundesrat, Wirtschaft und der Mehrheit des Parlaments, wurde durch das Bekanntwerden der falschen Zahlen der AHV Prognosen untergraben. Schon von Anfang an haben die Gegner:innen der Vorlage insbesondere im linken Lager die offiziellen Zahlen herausgefordert. So entstand der Eindruck eines Zahlensalats für sämtliche Bereiche der Altersvorsorge. Der Rechnungsfehler bei der AHV war dann der Knackpunkt in dieser Frage. Es folgte ein nicht zuletzt durch die Medien befeuertes Klima der Verunsicherung.
Die Vorlage ist komplex, die Auswirkungen im Einzelfall schwer nachvollziehbar. Wenn man sich dann in Bezug auf vom Bund kommunizierte Zahlen nicht verlassen kann, haben am heutigen Abstimmungssonntag viele Stimmberechtigte im Zweifelsfall ein Nein an der Urne eingelegt.
*Gemäss Hochrechnung Stand 15 Uhr