VOX-Analyse zur Abstimmung vom September 2024: Zweimal Nein – aber aus unterschiedlichen Gründen

08.11.2024 | Tobias Keller, GFS Bern

Die Biodiversitätsinitiative schaffte es nicht, einen genügend grossen Problemdruck zu erzeugen, damit die Notwendigkeit einer Annahme der Vorlage eine Mehrheit überzeugen konnte. Bei der Reform der beruflichen Vorsorge war ein zentrales Ziel, dass mit der Reform die Situation von Geringverdienenden verbessert werden würde, höchst umstritten. Während Ja-Stimmende das vorgeschlagene Vorgehen und die Massnahmen der Reform solidarisch und gerecht fanden, waren Nein-Stimmende gegenteiliger Meinung.

Biodiversitätsinitiative

Die Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» forderte, dass der Schutz und die Förderung der Biodiversität in der Schweiz gestärkt werden, indem ausreichende Flächen für Natur- und Landschaftsschutz reserviert und erhalten werden. Die Vorlage wurde von einer Mehrheit von 63 Prozent der Stimmenden abgelehnt. Die Entscheidung war stark von politischen Orientierungen und Orientierungen der Menschen in Umwelt- und Landwirtschaftsfragen geprägt. Wer Wohlstand stärker gewichtet als Umweltschutz und wer nachhaltigen Ertrag gegenüber ökologischer Ausrichtung der Landwirtschaft vorzieht, stimmte deutlich gegen die Initiative. Das so geprägte Stimmverhalten war auch eine Vertrauensfrage. Wer den Umweltverbänden vertraute, stimmte eher Ja, wer den Bauern vertraute, eher Nein. Wesentlich für das deutliche Nein war die überwiegende Ablehnung rechts der Mitte. Die Nein-Seite überzeugte bis ins politische Zentrum: die Mitte-Anhängerschaft lehnte die Initiative zu 78 Prozent ab, und nur die Hälfte der GLP-Anhängerschaft folgte der Ja-Parole der GLP-Delegierten.

Reform der beruflichen Vorsorge

Die Reform der beruflichen Vorsorge umfasste Massnahmen, die eine langfristige Finanzierung zukünftiger Renten gewährleisten sollte und welche die Situation von Geringverdienenden in der beruflichen Vorsorge verbessern. Eine deutliche Mehrheit von 67 Prozent des Stimmvolks stimmte dagegen. Beide Ziele, die langfristige Sicherstellung der Renten sowie die verbesserte Situation der Geringverdienenden, konnten nicht überzeugend dargestellt werden. So zeigt sich bei den Argumenten, dass fast alle für eine Besserstellung von Geringverdienenden sind, aber auch, dass wegen der aktuellen Teuerung die Senkung der BVG-Renten nicht verkraftbar sei. Auch Personen mit sehr hohem Vertrauen in den Bundesrat stimmten knapp mehrheitlich dagegen. Ausserdem polarisierte die Aussage am stärksten, dass mit der BVG-Reform mehr bezahlt werden müsste, und man dafür weniger erhalten würde.

Die Ja-Parolen der SVP und der Mitte überzeugten auch die Anhängerschaft nicht: Die beiden Anhängerschaften stimmten nur zu je 35 Prozent für die Vorlage. Auf der Pro-Seite gab es nur wenige Teile der Stimmbevölkerung, die mehrheitlich dafür waren: Das  waren FDP-Sympathisierende und die Personen, welche den Pensionskassen oder Wirtschaftsverbänden vertrauen.

Die Beteiligung

Die Beteiligung am 22. September 2024 war mit rund 45 Prozent im langjährigen Vergleich durchschnittlich. Stimmende an den politischen Polen nahmen stärker an den Abstimmungen teil als Personen in der politischen Mitte. Die Vorlagen waren für die Stimmbevölkerung ähnlich wichtig: Die Reform der beruflichen Vorsorge wurde als leicht wichtiger als die Biodiversitätsinitiative wahrgenommen. Dafür war die Biodiversitätsinitiative leichter verständlich als die Reform der beruflichen Vorsorge.

Dies belegen die Resultate der Befragung von 3’360 Stimmberechtigten der VOX-Analyse September 2024. Die Studie wurde von gfs.bern durchgeführt und von der Bundeskanzlei finanziert.

Weitere Informationen zur Studie sowie die Berichte finden Sie auf: www.vox.gfsbern.ch

 


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Tobias Keller

Tobias Keller

Projektleiter und Teamleader Data Analytics