Standort Schweiz 2025: Bilaterale im Zeichen neuer Verträge
Wie steht die Schweiz zu Europa?
Die Studie Standort Schweiz 2025, durchgeführt von gfs.bern im Auftrag von Interpharma, liefert neue Erkenntnisse zur Wahrnehmung der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Die Ergebnisse zeigen eine breite Bekenntnis in der Bevölkerung zum Verhandlungsergebnis und eine klare Befürwortung der Bilateralen, wobei hier nun eine verstärkt ambivalente Haltung zu beobachten ist.
Eine klare Mehrheit befürwortet nach wie vor die Bilateralen. Nach Jahren steigender Unterstützung für die bilateralen Verträge zeigt sich 2025 jedoch erstmals seit 2020 wieder ein Rückgang in der positiven Wahrnehmung. Während eine Mehrheit weiterhin die wirtschaftlichen Vorteile anerkennt, wächst die Ambivalenz, insbesondere in der politischen Mitte und bei Parteiunabhängigen. Gleichzeitig bleibt die Zustimmung für die neu verhandelten Abkommen stabil, doch es zeigt sich auch Skepsis gegenüber dem Solidaritätsbeitrag, dem sogenannten Kohäsionsfonds, sowie gegenüber der Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie. Ein EWR-Beitritt bleibt indes mehrheitsfähig, während ein EU-Beitritt oder ein Alleingang chancenlos sind.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union im Dezember 2024 hat die seit 2020 stetig steigende positive Einstellung gegenüber den bilateralen Verträgen im Frühjahr 2025 erstmals leicht abgenommen. Zwar sieht weiterhin eine klare Mehrheit Vorteile in den Verträgen, die ambivalente Haltung wächst jedoch. Besonders in der Anhängerschaft der GLP, der Mitte und der FDP sinkt die Vorteilssicht spürbar, während sie bei den Sympathisant:innen von SP und den Grünen neue Höchstwerte erreicht. Kritischer bleibt das SVP-Lager, wo die Zustimmung weiter sinkt, und unter den Parteiungebundenen verliert die Vorteilssicht erstmals seit 2020 ihre Mehrheit.
Inhaltlich steht weiterhin der wirtschaftliche Nutzen der Bilateralen im Zentrum der positiven Wahrnehmung, insbesondere in Form von Wohlstand und Zugang zum Exportmarkt. Trotz des Rückgangs in der Vorteilssicht zeigt sich keine verstärkte Polarisierung, sondern eine zunehmend differenzierte Betrachtung der bestehenden Verträge. Diese Entwicklung dürfte unter anderem auf den intensiven Diskurs über das neue Verhandlungsmandat zurückzuführen sein, welcher auch die Wahrnehmung der bestehenden bilateralen Beziehungen leicht unter Druck setzt.
Die Fortsetzung der Verhandlungen mit der EU zur Weiterentwicklung der bilateralen Verträge wird weiterhin klar befürwortet, auch wenn die Zustimmung leicht gesunken ist. Die neu verhandelten Abkommen – insbesondere in den Bereichen Strom, Gesundheit und Lebensmittelhandel – geniessen stabile Mehrheiten. Bei den Anpassungen bestehender Verträge zeigt sich ein differenziertes Bild: EU-Kompromisse zu Ausschaffung und Zuwanderung werden breit unterstützt, während institutionelle Fragen wie die Übernahme von EU-Recht oder die Rolle des Europäischen Gerichtshofs umstrittener – aber mehrheitsfähig – bleiben. Auch der Lohnschutz wird unterschiedlich beurteilt. Die grösste Skepsis zeigen die Stimmberechtigten gegenüber dem Solidaritätsbeitrag, dem sogenannten Kohäsionsfonds, sowie gegenüber der Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie.
Der Gesamtvertrag mit allen verhandelten Elementen findet eine klare Mehrheit, wenn auch mit leicht sinkender Zustimmung gegenüber dem Vorjahr. Dabei sind insbesondere links-grüne Wähler:innen stark zustimmend, während SVP-Anhänger:innen und Parteiungebundene eher skeptisch sind. Alternative Szenarien zur europäischen Integration werden zurückhaltender bewertet. Ein EWR-Beitritt bleibt mehrheitsfähig, während die Zustimmung zur Fortsetzung der Bilateralen – sowohl in ihrer bestehenden Form ohne Anpassungsfähigkeit an neue Marktentwicklungen/neue Abkommen als auch mit einer Weiterentwicklung durch die Übernahme von EU-Recht – unter 50 Prozent gefallen ist. Ein EU-Beitritt oder ein Alleingang bleiben chancenlos.
Der Bericht Standort Schweiz 2025 im Auftrag von Interpharma basiert auf einer repräsentativen Befragung von 2’011 Stimmberechtigten in der Schweiz. Die Datenerhebung fand zwischen dem 8. und 31. Januar 2025 statt und erfolgte im Mixed-Mode-Verfahren: 802 Interviews wurden mittels computerunterstützten Telefoninterviews (CATI) erhoben, während weitere 1’209 Interviews im Rahmen des gfs-Onlinepanels durchgeführt wurden.
Die Stichprobe wurde entlang der Sprachregionen, Siedlungsart, Bildung sowie Alter/Geschlecht gewichtet. Eine inhaltliche Gewichtung erfolgte entlang der Parteiaffinitäten und einer Recall-Frage zu einer vergangenen Abstimmung. Zudem wurde eine Basisgewichtung anhand der technischen Erreichbarkeit durch die Anzahl Telefonanschlüsse vorgenommen. Der statistische Fehler beträgt ±2.2 Prozentpunkte bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit.
Sämtliche Details und Ergebnisse der Studie können im Kurzbericht nachgelesen werden.