Ein Sieg für Links und ein Sieg für Rechts: Die beiden Ja zum Eigenmietwert und E-ID erklärt
Die Abstimmung vom September 2025 verdeutlicht zwei unterschiedliche Konfliktlinien: Bei den Liegenschaftssteuern dominierte die wirtschafts- und steuerpolitische Trennlinie zwischen linken Umverteilungs- und bürgerlichen Eigenverantwortungshaltungen. Beim E-ID-Gesetz verlief die entscheidende Achse zwischen technologischem Fortschrittsoptimismus und Datenschutzskepsis.
Beide Vorlagen bestätigen das bekannte Muster einer sozial selektiven Beteiligung. Entscheidend für Teilnahme und Stimmverhalten bleiben politisches Interesse, Bildung, Einkommen und Vertrauen in Institutionen. Auffällig ist zudem, dass der Besitz von Wohneigentum an diesem Abstimmungssonntag die Beteiligung erhöhte. Während die Liegenschaftssteuer-Vorlage eine stabile bürgerliche Mehrheit mobilisierte, beruhte die knappe Annahme der E-ID auf der Unterstützung jüngerer, linkerer und urbaner Bevölkerungsschichten, die den Staat als Garanten digitaler Sicherheit verstehen. Insgesamt zeigte sich damit ein Abstimmungssonntag mit einem Sieg für links und einem Sieg für rechts.
Kantonale Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften
Die Vorlage über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften wurde von einer klaren bürgerlichen Mehrheit getragen. Sie beendete die langjährige Debatte um die Abschaffung des Eigenmietwerts und verband fiskalpolitische Reformüberlegungen mit föderalen Spielräumen für die Kantone.
Das Abstimmungsverhalten folgte der politischen Links-Rechts-Achse. Je weiter rechts sich die Befragten einordneten, desto höher war der Ja-Anteil: von 25 Prozent bei Links-aussen bis zu rund 70 Prozent bei Rechtsaussen. Auch parteipolitisch zeigte sich eine klare Trennung: Sympathisierende der SVP (74%), der FDP (64%), der Mitte (64%) und der GLP (63%) stimmten der Vorlage klar zu. Hingegen lehnten Anhängerinnen und Anhänger der SP (37%) sowie der Grünen (31%) sie mehrheitlich, aber nicht geschlossen, ab. Deutlich zeigte sich auch ein Eigentumseffekt: Eigentümerinnen und Eigentümer befürworteten die Vorlage wesentlich häufiger als Mietende (67% vs. 43%).
Soziodemografisch nahm die Zustimmung mit steigendem Alter zu. Während die unter 40-Jährigen in etwa gespalten waren, stimmten über 70-Jährige zu fast zwei Dritteln zu. Männer unterstützten die Vorlage häufiger als Frauen (61 % vs. 55 %). Personen mit tertiärer Bildung bildeten die einzige Gruppe ohne Mehrheit für das Ja.
Inhaltlich dominierte das Gerechtigkeitsargument, wonach es nicht gerecht sei, auf ein Einkommen Steuern zu zahlen, das man nicht erhalte. Zwei Drittel der Befragten stimmten dieser Aussage zu. Ebenfalls breit geteilt wurde die Ansicht, dass die Reform Rentnerinnen und Rentner entlaste. Darüber hinaus nannten viele Befürwortende der Vorlage auch den persönlichen Nutzen als Motiv für ihr Ja. Die Gegnerschaft stützte sich demgegenüber vor allem auf die Befürchtung von Steuerausfällen sowie auf das Argument, dass Eigentümerhaushalte gegenüber Mieterinnen und Mietern bevorzugt würden.
Die Ergebnisse zeigen ein klassisches Muster: Bürgerlich-konservative Milieus und Eigentümerhaushalte befürworteten die Vorlage klar, während linke und urbane Gruppen zurückhaltender blieben. In der Deutschschweiz fiel die Zustimmung insgesamt höher aus als in der Romandie.
E-ID-Gesetz
Die Annahme des E-ID-Gesetzes mit einem knappen Ja-Anteil von 50,4 Prozent zeigt eine gespaltene Haltung der Bevölkerung gegenüber der staatlichen digitalen Identität. Das Stimmverhalten spiegelte primär politische Grundhaltungen und das Vertrauen in Institutionen wider.
Je linker sich die Stimmberechtigten positionierten, desto höher fiel die Zustimmung aus. Linksaussen unterstützten die Vorlage zu 72 Prozent, Rechtsaussen nur zu 34 Prozent. Deutlich überdurchschnittlich war die Zustimmung bei GLP-Sympathisierenden (79%), gefolgt von SP- (69%), Grünen- (67%) und FDP-Anhängerschaften (62%). Unter SVP-Sympathisierenden lag der Ja-Anteil bei lediglich 24 Prozent.
Soziodemografisch zeigt sich eine ausgeprägte Geschlechter-, Alters- und Bildungslinie. Mit zunehmender Bildung und höherem Einkommen stieg die Zustimmung, während sie mit zunehmendem Alter abnahm. Personen unter 40 Jahren befürworteten das Gesetz mehrheitlich, während die über 60-Jährigen es überwiegend ablehnten. Eine Mehrheit der Männer sprach sich für die E-ID aus, während Frauen sie mehrheitlich ablehnten (46% Ja-Stimmen).
Das Vertrauen in staatliche Institutionen erwies sich als zentraler Faktor. Befragte mit hohem Vertrauen in den Bundesrat oder den eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) unterstützten das Gesetz deutlich häufiger. Auch eine positive Haltung gegenüber der Digitalisierung korrelierte klar mit der Zustimmung: Wer Digitalisierung als Vereinfachung des Lebens verstand, unterstützte die Vorlage zu 85 Prozent, wer sie als gesellschaftliches Problem wahrnahm, nur zu 15 Prozent. In der Bewertung der Argumente zeigte sich eine klare Trennlinie: Das Pro-Argument, wonach eine staatliche Lösung Abhängigkeiten von Technologiekonzernen vermeide, fand die breiteste Zustimmung (76%). Auch die Freiwilligkeit und Kostenfreiheit der E-ID wurden mehrheitlich unterstützt (67%). Auf der Gegenseite dominierten die Befürchtung einer Benachteiligung weniger digital affiner Personen sowie Datenschutz- und Überwachungsbedenken.
Das Resultat weist auf eine kulturelle Konfliktlinie hin, die weniger parteipolitisch als wertorientiert geprägt ist. Zustimmung fand die E-ID insbesondere bei jüngeren, gebildeten und digital affinen Stimmberechtigten, Ablehnung hingegen bei älteren, skeptischen und institutionell misstrauischen Gruppen.
Die Beteiligung
Die Stimmbeteiligung lag mit 49,6 Prozent leicht über dem langjährigen Durchschnitt. In den Städten entsprach die Mobilisierung dem gewohnten Niveau, während sie auf dem Land – insbesondere in der Deutschschweiz – überdurchschnittlich ausfiel.
Die Beteiligung blieb sozial selektiv: Ältere, bildungs- und einkommensstarke Personen beteiligten sich deutlich häufiger als Jüngere oder Personen mit geringerer formaler Bildung. Männer beteiligten sich mit 51 Prozent etwas stärker als Frauen (48%). Die höchste Beteiligung verzeichneten die über 70-Jährigen (65%), während sich bei den 18- bis 39-Jährigen nur etwas mehr als ein Drittel der Stimmberechtigten beteiligte. Politisch war die Mobilisierung bei Sympathisierenden der GLP, der Mitte und der FDP am stärksten, während SP-Anhängerschaften und politisch Ungebundene unterdurchschnittlich partizipierten. Eigentümerinnen und Eigentümer beteiligten sich häufiger als Mietende – ein bekanntes Muster, das an diesem Abstimmungssonntag jedoch ausgeprägter war als bei früheren Abstimmungen dieser Legislatur.
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