Strassennetz gilt als überlastet - doch der Handlungsdruck bleibt gering
Eine im Auftrag des Kantons Basel-Landschaft durchgeführte Nachbefragung von gfs.bern zur Abstimmung über den Ausbauschritt 2023 der Nationalstrassen zeigt ein differenziertes Bild: Die Stimmbevölkerung im Kanton Basel-Landschaft sieht zwar Kapazitätsprobleme auf den Strassen, empfindet den Leidensdruck aber als begrenzt. Damit erklären sich auch die gegensätzlichen Haltungen zum Ausbau der Nationalstrassen.
Am 24. November 2024 lehnte die Schweizer Stimmbevölkerung die Vorlage mit 52,7 Prozent Nein ab. Im Kanton Basel-Landschaft hingegen stimmte eine Mehrheit von 53,5 Prozent zu. Besonders im Fokus stand der geplante Rheintunnel: Während die Stimmberechtigten in Muttenz den Nutzen mehrheitlich anerkannten, überwog in Birsfelden die Skepsis. Diese Nachbarsgemeinden mit ähnlichem politischen Profil reagierten damit auffallend unterschiedlich.
Klare Muster im Stimmverhalten
Die Nachanalyse bestätigt bekannte Muster aus der VOX-Studie: Männer, einkommensstarke und bürgerlich gesinnte Stimmberechtigte sagten häufiger Ja. Frauen, einkommensschwächere Gruppen sowie politisch links oder grün orientierte Personen lehnten die Vorlage mehrheitlich ab. Auch die Verkehrsmittel spielten eine Rolle: Wer regelmässig mit dem Auto pendelt, war deutlich eher für den Ausbau. Umgekehrt stimmten Personen, die hauptsächlich den öffentlichen Verkehr oder das Velo nutzen, häufiger Nein.
Wahrnehmung von Stau und Belastung
Knapp drei Viertel der Befragten finden, dass es im Kanton Basel-Landschaft zu viele Staus gibt. Dennoch sehen sich viele nicht stark betroffen: 62 Prozent zeigten sich mit der Verkehrssituation im motorisierten Individualverkehr zufrieden. Damit prallt ein strukturelles Problemempfinden auf einen begrenzten Leidensdruck. Für die Befürwortenden standen Entlastung und Verkehrsfluss im Vordergrund. Gegnerinnen und Gegner hingegen befürchteten mehr Verkehr, zusätzliche Belastungen in den Quartieren und eine jahrelange Baustellensituation.
Motive für Zustimmung und Ablehnung
38 Prozent der Befürwortenden nannten die Aussicht auf weniger Staus als Hauptargument, weitere 27 Prozent sprachen von einer generellen Entlastung des Verkehrs. Auch der Hinweis auf die Notwendigkeit eines Ausbaus sowie auf regionale Projekte wie den Rheintunnel spielte eine Rolle. Auf der Gegenseite dominierten ökologische Bedenken, die Kritik an der Förderung des Autoverkehrs und die Annahme, dass mehr Strassen letztlich mehr Verkehr erzeugen. Auch hohe Baukosten und ein Widerspruch zu den Klimazielen wurden vielfach genannt.
Zufriedenheit mit dem öffentlichen Verkehr
Deutlich positiver fällt die Beurteilung des öffentlichen Verkehrs aus: 84 Prozent zeigten sich zufrieden mit dem Angebot. Damit liegt die Zustimmung deutlich höher als beim motorisierten Individualverkehr. Kritik am ÖV richtete sich vor allem auf Angebotslücken wie fehlende Verbindungen oder Taktungen, nicht auf das System an sich. Das unterstreicht die breite Akzeptanz des öffentlichen Verkehrs als tragende Säule der Mobilität.
Schutz vor Ausweichverkehr geniesst breite Unterstützung
Einigkeit herrscht beim Schutz der Ortszentren: 83 Prozent der Stimmberechtigten sprechen sich für Massnahmen gegen Ausweichverkehr aus. Ebenso breite Zustimmung finden Projekte zur Förderung von ÖV und Velo (73 Prozent). Besonders Frauen und politisch links orientierte Personen unterstützen diese Ansätze überdurchschnittlich stark. Strassenbauprojekte, die ausschliesslich den motorisierten Individualverkehr priorisieren, stossen hingegen auf wenig Rückhalt.
Fazit: Geteilte Gesellschaft, klare Präferenzen
Die Nachanalyse zeigt: Die Bevölkerung ist in der Grundsatzfrage «Mehr Strassen gegen Stau oder weniger Strassen für Umwelt und Lebensqualität?» gespalten. Männer, Vielfahrende und bürgerliche Kreise setzen stärker auf Ausbau. Frauen, ökologisch sensibilisierte Gruppen und ÖV-Nutzende bevorzugen andere Lösungen. Einig ist man sich aber in zwei Punkten: Der öffentliche Verkehr funktioniert und geniesst Vertrauen, und die Lebensqualität in den Ortszentren soll vor Ausweichverkehr geschützt werden.
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