Begleitevaluation zur nationalen Präventionskampagne gegen häusliche, sexualisierte und geschlechtsbezogene Gewalt
Die Befunde der Nullmessung, die gfs.bern im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) durchgeführt hat, zeigen deutlich, dass Gewalt zwar als gesellschaftliches Problem erkannt wird, aber selten persönlich verortet wird.
Inhaltsverzeichnis
- Gleichstellung ist gesellschaftlich hoch relevant
- Gewalt wird als gesellschaftliches, weniger als persönliches Problem wahrgenommen
- Eigene Erfahrungen und Beobachtungen mit Grenzüberschreitungen
- Viele Betroffene bleiben untätig – Unsicherheit als zentrale Hürde
- Gewaltprävention durch Kommunikation und Gleichstellung
- Technische Details
Nationale Präventionskampagne gegen häusliche, sexualisierte und geschlechtsbezogene Gewalt - EBG
Eine klare Mehrheit von 85 Prozent der Bevölkerung hält Gleichstellung für die Zukunft der Gesellschaft für sehr oder eher wichtig. Persönliche Relevanz hat das Thema für 63 Prozent. Besonders junge Frauen zwischen 16 und 39 Jahren messen ihm hohe Bedeutung bei (70 Prozent). Bei gleichaltrigen Männern sind es 57 Prozent – ebenfalls eine Mehrheit, wenn auch deutlich tiefer.
Mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) sieht den grössten Handlungsbedarf bei der Gleichstellung am Arbeitsplatz. Danach folgen Vereinbarkeit von Beruf und Familie (44 Prozent) sowie Diskriminierung aufgrund von Herkunft oder Hautfarbe (35 Prozent). Rund 30 Prozent erkennen dringenden Handlungsbedarf bei geschlechtsbezogener Gewalt – ein Befund, der das Ziel der nationalen Präventionskampagne unterstreicht.
Häusliche, sexualisierte und geschlechtsbezogene Gewalt wird von der Bevölkerung deutlich stärker als gesellschaftliches denn als persönliches Problem wahrgenommen. Das deutet darauf hin, dass Gewalt zwar als strukturelles, Problem gesehen wird, aber als eines, welches primär «andere» betrifft.
Verhaltensweisen, die Grenzen überschreiten, werden von einer Mehrheit klar abgelehnt. Besonders das Versenden intimer Nachrichten ohne Einverständnis wird fast einhellig als unzulässig beurteilt (95 Prozent der Frauen, 91 Prozent der Männer). Frauen bewerten dabei Grenzüberschreitungen durchwegs kritischer als Männer.
Knapp die Hälfte der Befragten (47 Prozent) gibt an, keine betroffene Person von häuslicher, sexualisierter oder geschlechtsbezogener Gewalt zu kennen. Gleichzeitig berichten 30 Prozent, dass es in ihrem Freundes- oder Familienkreis Betroffene gibt. Bei jungen Frauen liegt dieser Anteil mit 42 Prozent deutlich höher. Rund ein Fünftel der Bevölkerung (22 Prozent) hat zudem Gewaltsituationen im öffentlichen Raum beobachtet, etwa auf der Strasse oder im Ausgang. Eigene Gewalterfahrungen nennen 19 Prozent der jungen Frauen und 4 Prozent der jungen Männer.
Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung zeigt sich, dass psychische Gewalt mit 7 Prozent am häufigsten vorkommt, gefolgt von körperlicher Gewalt, sexueller Belästigung und sexueller Gewalt.
Fast jede zweite betroffene Person (47 %) bleibt im Fall häuslicher, sexualisierter oder geschlechtsbezogener Gewalt untätig aus Sorge, dass ein Eingreifen die Situation noch verschärfen könnte. Jeweils 31 Prozent geben zudem an, entweder nicht gewusst zu haben, an wen sie sich wenden können, oder den Vorfall damals nicht ernst genug genommen zu haben. Des Weiteren ist fast ein Viertel (22 Prozent) unsicher, ob das Erlebte überhaupt bereits als Gewalt gilt. Diese Ergebnisse zeigen, dass Unsicherheit und mangelnde Information zentrale Hindernisse für aktives Handeln darstellen.
Eine grosse Mehrheit der Bevölkerung (88 Prozent) ist überzeugt, dass Gewalt seltener vorkommt, wenn Menschen früh lernen, über Gefühle und Grenzen zu sprechen. Zwei Drittel (66 Prozent) sehen zudem die Gleichstellung von Frauen und Männern als wichtigen Schutzfaktor gegen Gewalt.
Gleichzeitig zeigen sich weiterhin stereotype Denkmuster. Sechs von zehn Personen (60 Prozent) glauben, anzügliches Verhalten oder Kleidung könnten Auslöser von Grenzüberschreitungen sein, und ein Viertel ist der Meinung, traditionelle Rollenbilder trügen zu weniger Konflikten bei. Solche Vorstellungen verdeutlichen, dass überholte Geschlechterbilder nach wie vor verbreitet sind.
Die Erhebung erfolgte im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG). Zwischen dem 16. September und 27. Oktober 2025 wurden 1’564 Einwohner:innen ab 16 Jahren, wohnhaft in der Schweiz, mittels Online-Befragung befragt. Die Stichprobe wurde nach Alter, Geschlecht, Sprache, Siedlungsart, Bildung und Religion gewichtet. Der Stichprobenfehler beträgt ± 2.5 Prozent bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 95 Prozent.
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