Service-citoyen-Initiative: Grösste Niederlage einer Initiative seit 2015

30.11.2025 | Tobias Keller, GFS Bern

Am 30. November 2025 hat das Stimmvolk die Service-citoyen-Initiative klar abgelehnt: gemäss unseren Hochrechnungen erhielt seit 2015 keine Initiative weniger Zustimmung als die Service-citoyen-Initiative mit 16 Prozent Ja-Anteil. Dieser Verlauf ist gemäss unserem Prädispositionsansatz typisch.

Nach dem Prädispositionsansatz zeigt die Service-citoyen-Initiative einen für viele Initiativen typischen Verlauf: Zu Beginn ist das Problembewusstsein in der Bevölkerung zwar hoch, doch die bevorzugte Lösung bildet sich erst im Verlauf der Kampagne heraus. Dabei rücken die Schwächen und Folgen der vorgeschlagenen Lösung immer stärker in den Fokus – was letztlich häufig zu sinkender Unterstützung führt. Generell nimmt der Nein-Anteil mit der Kampagnendauer zu. Die Zunahme des Nein-Anteils zeigt sich exemplarisch bei der Service-citoyen-Initiative. Am 10. Oktober hätten noch 48 Prozent Ja gestimmt, am 8. November noch 32 Prozent und gemäss Hochrechnung werden es am Schluss nur noch 16 Prozent sein.

Die Service-citoyen-Initiative war von Anfang an eine Aussenseiter-Vorlage. Sie adressierte kein akutes Problem in der Gesellschaft. Die Grundidee hatte Sympathien, doch in der Bevölkerung bildete sich kein tatsächlicher Bedarf heraus. Die Diskussion um Dienstpflicht, Freiwilligenpotenzial, Gleichstellung oder gesellschaftliche Integration erzeugte zu wenig Mobilisierung. Einige wenige Stimmen aus dem Parlament, vor allem aus der GLP, unterstützten das Anliegen. Doch diese Zustimmung blieb schwach und hatte kaum Resonanz.

 

Warum die Vorlage scheiterte

Von links wurde die Initiative als falsch verstandenes Gleichstellungsinstrument kritisiert, das bestehende Benachteiligungen nicht löst. Von rechts stiess der starke staatliche Eingriff auf Widerstand, gerade weil die bestehende Dienstpflicht für Männer stabil funktioniert. Zusätzlich kamen Sorgen zur Verdrängung von Arbeitskräften auf. Die Initiative geriet so in den Zangengriff und die wenigen Unterstützer:innen des Establishments (GLP, EVP) konnten nichts daran ändern. In den Medien war es auffallend ruhig um die Initiative. Zusammen führte das zu einem breit abgestützten Nein.

 

Bedeutung des Ergebnisses und Ausblick

Mit dem klaren Nein bleibt das bestehende Dienstpflichtmodell bestehen. Teilreformen und Bemühungen, den freiwilligen Armeedienst für Frauen zu stärken, werden wahrscheinlicher als ein Pflichtjahr für alle. Die Initiative löste jedoch eine Debatte über Engagement, Gemeinsinn und moderne Milizsysteme aus. Weiterentwicklungen dürften künftig stärker in Richtung Freiwilligkeit und weniger in Richtung staatlicher Verpflichtung gehen. Die Idee des Service Citoyen bleibt relevant, insbesondere dann, wenn die Armee ihre Bedürfnisse nicht mit den bisherigen Lösungen decken kann. Jedoch benötigt es andere Wege als die vorgeschlagene Initiative, um gesellschaftliche Mehrheiten zu finden.

 

Wie das Nein bei der anderen Initiative vom 30. November 2025, der Initiative für eine Zukunft, zu erklären ist, finden Sie hier: Erklärung zum Nein der Initiative für eine Zukunft (Erbschaftssteuer)


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Tobias Keller

Tobias Keller

Projektleiter, Mitglied der Geschäftsleitung


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