Abstimmung vom 3. März 2024:
Mehr AHV, ja. Länger arbeiten, nein

03.03.2024 | Martina Mousson, GFS Bern

Bereits im Vorfeld der eigentlichen Entscheidung von heute Sonntag wurde die in der Luft liegende Annahme der Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente als historisches Ereignis in der Schweizer Politik beschworen. Über die Ablehnung der Renteninitiative las und hörte man dagegen wenig. Zwei Vorlagen aus demselben Themengebiet aber mit völlig unterschiedlicher Rezeption. Künftig werden Schweizer:innen also nicht länger arbeiten aber dafür eine Rente mehr erhalten.

Renter:innen

Bereits die Vorumfragen im Auftrag der SRG zeigten für die Initiative zur 13. AHV, dass die Sensation möglich ist. Initiativen die vom Stimmvolk angenommen werden, sind immer Sensationen, denn der Regelfall für Volksinitiative ist die Ablehnung. Im langjährigen Schnitt wird weniger als jede zehnte Volksinitiative vom Stimmvolk angenommen. So ist eine jede Annahme einer Initiative eine historische. Bemerkenswert und historisch an der heute erfolgreichen Initiative ist der Absender: es handelt sich um die erste erfolgreiche eindeutig linke, weil gewerkschaftliche Initiative. Dieser Erfolg ist historisch.

Die AHV bereitet den Schweizer:innen seit geraumer Zeit Sorge und diese Sorge vermochte auch die 21. AHV-Reform nur bedingt abzuschwächen. Der Problemdruck ist hoch und die AHV-Thematik Stammgast unter den Top-Sorgen der Schweizer:innen gemäss Sorgenbarometer. Demographische und wirtschaftliche Entwicklungen liefern hierfür Erklärungen. Im Kontext der AHV-21- und der BVG-Reform erfuhr das Thema zusätzliche politische Aufladung. Und auch im Wahlkampf war das Thema Altersvorsorge präsent. Die geschickte Verknüpfung der Pro-Argumentation zur Initiative über eine 13. AHV-Rente mit dem linken Wahlkampfthema der Kaufkraft verlieh der Initiative Schwung und eine Anknüpfung an die Aktualität.

Diskussionen um diese 13. AHV-Rente wurden breit und emotional geführt. Davon zeugt neben der intensiven Berichterstattung die ausserordentlich hohe Stimmbeteiligung vom heutigen Tag. Die Probleme, welche von den Initiant:innen angesprochen wurden – Altersarmut, Kaufkraft und Gerechtigkeit – haben bewegt. Relevant in der Beurteilung der Initiative für eine 13. AHV waren letztlich sowohl politische Grundhaltungen, als auch persönliche Präferenzen und Lebensrealitäten. Die Nachanalyse dürfte entsprechend Elite-Basis-Konflikte im rechten parteipolitischen Lager in relevantem Ausmass zu Tage bringen. Sie dürfte aber auch zeigen, dass zusätzlich eher apolitische Kreise durch die Frage der 13. AHV mobilisiert wurden. Diese stimmten häufig im Sinne der eigenen Konsequenzen oder Vorteile ab. Und sie dürfte zeigen, dass bis ganz zum Schluss die Beurteilung des Problems höher gewichtet wurde als die offene Frage nach der Finanzierung dieser zusätzlichen Rente.

So wurde aus dieser Stimmungslage heraus die historische Annahme der 13. AHV-Rente entgegen den typischen politischen Reflexen und Vorgängen möglich. Die Erhöhung des Rentenalters dagegen war von vornherein chancenlos, denn der Blick war bei den Entscheidungen vom 3. März klar auf die Bedürfnisse oder das Problem und weniger auf Konsequenzen oder die Art der Lösung gerichtet. Der Diskussion darüber, wie man diese 13. AHV-Rente finanzieren will, wird sich die Schweiz nun stellen müssen. Und diese dürfte wieder eindeutigere politische Farben tragen als der Grundsatzentscheid, etwas gegen den Zerfall der Schweizer Altersvorsorge und für armutsgefährdete Rentner:innen zu unternehmen.

 

 


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Martina Mousson

Martina Mousson

Projektleiterin