13. AHV Rente: Die Mobilisierung war entscheidend
Was sich in den letzten Tagen vor dem Abstimmungstag immer mehr abgezeichnet hat, fand heute Bestätigung. Voraussichtlich haben ca. 59% der Schweizer Stimmberechtigten am Urnengang zu den beiden AHV-Vorlagen teilgenommen. Das ist wesentlich über der durchschnittlichen Beteiligung bei Volksabstimmungen.
Augenscheinlich nahmen am 3. März 2024 Personen an der Volksabstimmung teil, die normalerweise für direktdemokratische Entscheidungen schwer motivierbar sind. Mit Blick auf das Resultat lässt sich vermuten, in welche Richtung diese Zusatzmobilisierung inhaltlich zielte: Sie sprachen sich überdurchschnittlich zugunsten der Initiative für eine 13. AHV-Rente aus. Wie bei starken Zusatzmobilisierungen in letzter Minute nicht selten üblich, stand dahinter die Absicht für ein Protestvotum, wobei der Protest diesmal aus verschiedenen Richtungen kam: Das Gefühl von Wirtschaftseskapaden in jüngster Vergangenheit, das Erlebnis, das der Bund in Krisensituationen Dutzende von Milliarden Franken ausgeben kann, aber auch die Vorstellung, dass es nun an der Zeit ist, etwas für den Mittelstand zu tun, ergänzten die klassischen linksgewerkschaftlichen Ansinnen, verstärkt gegen Armut und Kaufkraftverlust vorzugehen und die AHV als staatliches Sozialwerk zu stärken. Die Diskussion zur Vorlage blieb dabei bis am Schluss hauptsächlich fokussiert auf diese Probleme. Mögliche Schwachstellen der Initiativ-Lösung, beispielsweise die Kostenfrage, wurden durch die Gegnerschaft zwar ins Feld geführt. Sie lösten aber sichtbar keine Verschiebung der Diskussion weg vom konstatierten Problem, hin zu den Schwachstellen der angebotenen Lösung aus, wie sie bei Initiativen fast immer stattfindet. Oder kurz: Die Initiative mobilisierte gegen Schluss viele Personen, die frustriert sind: über die Wirtschaft, über Lohneskapaden von Spitzenmanager, über Armut in der Schweiz, über die Erhöhung des Frauenrentenalters, aber auch darüber, dass man für Entwicklungshilfe Geld hat, nicht aber für unsere Rentner:innen. In der Summe entstand eine Mehrheit mit Anteilen von Links und Rechts, welche Bundesrat und Parlament eines Besseren belehrten.
Protestvoten sind sichtbar meinungsentscheidend. Sie sind in der Schweiz aber nicht der Normalfall. Meist entstehen sie als Folge eines emotionsgeladenen Diskurses und sie benötigen ein situatives Momentum zur Entladung dieser Gefühlslage. Beides baut sich im Abstimmungskampf auf und entlädt sich ersten in den letzten Tagen. Das macht solche Protestvoten nicht nur unberechenbar, es macht sie vor allem unplanbar. Das Vertrauen in Bundesrat und Parlament ist in der Schweiz traditionell hoch. Die Position von Bundestrat und Parlament obsiegt im Durchschnitt an der Urne zu über 70%. Entsprechend scheint es nach einem klaren Signal aus der Bevölkerung zu früh, daraus eine neue Struktur abzuleiten. Ableiten lässt sich allerdings ein Startschuss für die kommenden Abstimmungskämpfe 2024. Im Sommer stehen zwei Initiativen zum Gesundheitssystem zur Abstimmung, im Herbst ein Referendum zur BVG-Reform. Das Volk hat am 3. März 2024 zum Ausdruck gebracht, dass es solche Vorlage ernst nimmt und die Diskussion dazu nicht scheut. Man kann auf die kommenden Abstimmungskämpfe gespannt sein.