Wohnvorlagen Zürich: Breite Kritik an Marktsituation, Verständnis für strukturelle Zwänge
Eine neue gfs.bern-Studie im Auftrag von CRK zeigt: Die Zürcher Stimmberechtigten sind mit ihrer Wohnsituation zwar mehrheitlich zufrieden, nehmen aber die Wohnkosten als Belastung wahr. Die bevorstehende Abstimmung zur Vorkaufsrechtsinitiative findet in einem Umfeld hoher Sensibilität für Wohnungsfragen statt.
Neun von zehn Zürcher:innen sind mit ihrer Wohnsituation zufrieden. Dennoch empfindet fast die Hälfte der Befragten (49%) die Wohnkosten als spürbare Belastung. Besonders stark ist der Kostendruck bei Jüngeren zwischen 18 und 39 Jahren (58%), bei Mieter:innen (58%) und in der Stadt (50%). 95 Prozent der Stimmberechtigten beschreiben die Wohnungssuche im Kanton Zürich zudem als schwierig, knapp zwei Drittel davon als «sehr schwierig». Damit zeigt sich ein Befund, der quer durch Altersgruppen, Einkommen und politische Präferenzen reicht. Zufriedenheit mit dem eigenen Zuhause bedeutet also keineswegs Entlastung auf dem Markt. Vielmehr spiegelt sie oft ein Privileg wider, das zunehmend unter Druck gerät.
Die Bevölkerung nimmt den Zürcher Wohnungsmarkt mit gemischten Gefühlen wahr. 82 Prozent befürchten eine Verdrängung durch teure Neubauten, 80 Prozent sehen Spekulation und Gier als Hauptursache für steigende Mieten. Weiter wünschen sich drei Viertel mehr gemeinnützigen Wohnbau und 73 Prozent ein stärkeres staatliches Engagement zugunsten bezahlbaren Wohnraums. Nur ein Drittel (33%) ist der Meinung, günstiges Wohnen sei keine Aufgabe des Staates.
Gleichzeitig besteht ein Bewusstsein für wirtschaftliche und institutionelle Rahmenbedingungen: Zwei Drittel (67%) stimmen der Aussage zu, dass Pensionskassen mit Liegenschaften Renditen erzielen müssen, um Renten auszahlen zu können. 64 Prozent befürworten zudem weniger Bauvorschriften und schnellere Verfahren. Zwischen sozialem Anspruch und ökonomischem Realismus bewegt sich die Zürcher Bevölkerung in einem Spannungsfeld, das Kritik und Verständnis zugleich umfasst.
Die Abstimmung vom 30. November 2025 über die Vorkaufsrechtsinitiative markiert den Auftakt einer Reihe wohnpolitischer Entscheide im Kanton Zürich. Die Initiative will Gemeinden ermöglichen, grössere Liegenschaften beim Verkauf zuerst selbst zu erwerben, um daraus günstigen Wohnraum zu schaffen. Im August 2025 hatten 58 Prozent der Befragten bereits von der Vorlage gehört. Unter den bestimmt Teilnehmenden sprachen sich 63 Prozent für ein Ja aus. Unterstützung kommt vor allem von SP- und Grünen-Sympathisierenden, von Frauen, Mieter:innen und einkommensschwächeren Haushalten. In den Reihen von FDP und SVP überwiegt dagegen die Ablehnung, ebenso unter Eigentümer:innen und einkommensstarken Gruppen.
Auch der Gegenvorschlag des Kantons – eine Verdoppelung der Fördermittel von 180 auf 360 Millionen Franken – findet mit 57 Prozent Zustimmung Rückhalt.
In der öffentlichen Debatte stehen sich zwei Deutungsrahmen gegenüber. Besonders überzeugend wirkt die Vorstellung, dass Gemeinden mit einem Vorkaufsrecht mehr Handlungsspielraum für bezahlbaren Wohnraum erhalten (71% Zustimmung). Ebenfalls Zustimmung erfährt das Argument, dass dadurch Liegenschaften der Spekulation entzogen würden (61%).
Gleichzeitig unterstützen 66 Prozent das Gegenargument, Eigentümer:innen sollten selbst entscheiden dürfen, an wen sie verkaufen. Fast die Hälfte (48%) sieht im Vorkaufsrecht einen Eingriff ins Eigentumsrecht, 47 Prozent befürchten höhere Steuern infolge von Gemeindeankäufen. Auch die Wirksamkeit der Initiative wird hinterfragt: 44 Prozent glauben, sie werde keine neuen Wohnungen schaffen.
Die Studie basiert auf einer repräsentativen Befragung von 1’019 Stimmberechtigten im Kanton Zürich. Sie wurde vom 6. bis 15. August 2025 im Auftrag der CRK – Agentur für Kommunikation durch gfs.bern realisiert. Die Erhebung erfolgte im Mixed-Mode-Verfahren (Onlinepanel und Telefoninterviews). Der statistische Fehler beträgt ± 3,1 Prozentpunkte (bei 50/50-Verteilung und 95 %-Vertrauensintervall).
Den Schlussbericht mit weiteren Details und Analysen können Sie hier herunterladen.