VOX-Analyse zur Abstimmung vom Juni 2023: Warum das CO2-Gesetz abgelehnt und das Klimagesetz angenommen wurde

04.08.2023 | Corina Schena, GFS Bern

Generell galt das Klima- und Innovationsgesetz als klar wichtigste Vorlage. Im Vergleich zum CO2-Gesetz vor 2 Jahren sagte die Bevölkerung «Ja». Wie ist das zu erklären? Zwei mögliche Erklärungen sind: Die tiefe Mobilisierung der ländlichen Stimmbevölkerung sowie das Stimmverhalten der Mitte- und der FDP-Sympathisierenden (jeweils mehrheitlich Nein beim CO2-Gesetz und mehrheitlich Ja beim Klima- und Innovationsgesetz).

OECD/G20-Mindestbesteuerung

Das OECD/G20-Projekt sieht eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent für grosse international tätige Unternehmensgruppen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro vor. Die Verfassungsänderung wurde mit einem 78,5 Prozent Ja-Anteil überaus deutlich angenommen.

Im Vordergrund für diese klare Mehrheit, gemessen an den Argumenten und den Ja-Motiven, stand der Wille, dass keine Gelder ins Ausland abfliessen. Ausserdem wurde es als gerecht beurteilt, dass gezielt internationale Unternehmensgruppen betroffen sind. Die Stossrichtung der Vorlage überzeugte gemessen an den beurteilten Argumenten (Fokus auf Grossunternehmen, zusätzliche Mittel für die Standortattraktivität, Verhinderung von Steuerflucht) sogar die Nein-Stimmenden mehrheitlich.

Die minderheitliche Kritik an der Vorlage kam in erster Linie aus dem Umfeld der SP, deren Delegierte eine Nein-Parole fassten. Die Basis teilte die Kritik nur bedingt, denn 63 Prozent der SP-Anhängerschaft stimmte für die Vorlage. Wer allerdings Nein stimmte, tat dies oft mit dem Verweis auf den Verteilschlüssel, wollte keine zusätzliche Anheizung des interkantonalen Steuerwettbewerbs und wünschte mehr Steuergerechtigkeit. Die Kritik aus libertärer Sicht, beispielsweise mit dem Verweis auf die Steuersouveränität der Schweiz, überzeugte kaum.

Klima- und Innovationsgesetz

Das Klima- und Innovationsgesetz ist der vom Bundesrat und Parlament ausgearbeitete indirekte Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für ein gesundes Klima» (Gletscher-Initiative). Die SVP hat gegen das «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit» das Referendum ergriffen. Der indirekte Gegenvorschlag zielt nach wie vor auf eine klimaneutrale Schweiz bis ins Jahr 2050 ab. Das Gesetz setzt hierbei auf Subventionen und nicht auf Verbote. Einzig die SVP, die das Referendum ergriffen hat, spricht sich als einzige grosse Partei gegen das Gesetz aus. Mit einem Ja-Anteil von 59,1 Prozent wurde das Klima- und Innovationsgesetz am 18. Juni 2023 angenommen.

Bei dieser Vorlage zeigte sich aufgrund der politischen Merkmale ein klarer Graben. Personen, die sich selbst rechtsaussen positionieren und/oder ihre Sympathie für die SVP aussprechen, haben das Klima- und Innovationsgesetz deutlich abgelehnt. Mit Bezug auf die soziodemografischen Merkmale lässt sich einzig bei der Bildung ein Graben zwischen den Subgruppen erkennen. Personen, die als höchste abgeschlossene Ausbildung keine nachobligatorische Bildung oder eine berufliche Grundausbildung/Berufslehre vorzuweisen haben, lehnten die Vorlage ab (44% Ja-Anteile).

Vor rund zwei Jahren scheiterte das CO2-Gesetz an der Urne. Das Ziel bis ins Jahr 2050 klimaneutral zu werden, fand damals keine Mehrheit. Mit der Annahme des Klima- und Innovationsgesetzes ist dieses Ziel nun erreicht. Die Ausgangslagen der Jahre 2021 und 2023 unterscheiden sich stark: Am Abstimmungssonntag, an welchem über das CO2-Gesetz abgestimmt wurde, standen unter anderem auch zwei Agrarinitiativen zur Abstimmung. Die SVP und der Bauernverband hatten durch ihre Kampagne gegen die beiden Agrarinitiativen eine ausserordentliche Mobilisierung der ländlichen Bevölkerung bewirkt. Diese Mobilisierung führte letztendlich zur Ablehnung des CO2-Gesetzes. Die Stimmbeteiligung beim Klima- und Innovationsgesetz lag bei lediglich 42,5 Prozent. Personen, die sich rechts bis rechtsaussen positionieren, haben deutlich weniger häufig an der Abstimmung zum Klima- und Innovationsgesetz als zum CO2-Gesetz teilgenommen (-30 resp. -25 Prozentpunkte). Ebenso zeigt sich dies bei der Teilnahme der Sympathisierenden der SVP (-24 Prozentpunkte) und bei der ländlichen Bevölkerung insgesamt (-25 Prozentpunkte). Nicht nur in Bezug auf die Mobilisierung konnten Unterschiede zwischen den beiden Vorlagen eruiert werden, sondern auch beim Abstimmungsverhalten nach Parteipräferenz. Das Klima- und Innovationsgesetz wurde von Sympathisierenden der Mitte (64% Ja-Anteil) und der FDP (66% Ja-Anteil) klar angenommen. Das CO2-Gesetz hingegen fiel vor zwei Jahren bei den Sympathisierenden dieser beiden Parteien durch (Mitte: 47% Ja-Anteil, FDP: 37% Ja-Anteil).

Für die Ja-Stimmenden war bei der Vorlage eine langfristig sichere Energieversorgung ohne fossile Energieträger und der Umstieg auf klimafreundlichere Heizungen ohne Belastung durch neue Steuern besonders relevant. Beide Argumente wurden von 88 Prozent der Befürwortenden unterstützt. Mit anderen Worten: Das Bewusstsein für die Klimaproblematik ist vorhanden und ihr soll mit einer möglichst geringen finanziellen Belastung der Bevölkerung entgegengewirkt werden. Bei den Sympathisierenden der Mitte wird das Argument für eine langfristig sichere Energieversorgung ohne fossile Energieträger mit einer Zustimmung von 74,6 Prozent am besten bewertet. Hingegen schneidet bei den Sympathisierenden der FDP das Argument rund um den Umstieg auf klimafreundlichere Heizungen ohne Belastung durch neue Steuern besser ab (69,9%).

Covid-19-Gesetz

Das Schweizer Stimmvolk stimmte am 18. Juni 2023 zum dritten Mal über das Covid-19 Gesetz ab. Mit 61,9 Prozent nahm die Stimmbevölkerung die Verlängerung des Covid-19-Gesetzes deutlich an.

Das Covid-19-Gesetz schafft eine rechtliche Grundlage für schnelles Handeln und eine gezielte Eindämmung der Pandemie. Obwohl sich die Situation in den vergangenen Monaten entspannt hat, bleibt der weitere Verlauf ungewiss. Daher hat das Parlament beschlossen, bestimmte Massnahmen bis Mitte 2024 zu verlängern. Dadurch können die Behörden schnell reagieren, um besonders gefährdete Personen und das Gesundheitssystem vor einer möglichen Verschlechterung zu schützen. Zudem können weiterhin Medikamente gegen Covid-19, die in der Schweiz noch nicht zugelassen sind, importiert und für die Behandlung erkrankter Personen eingesetzt werden. Mit der Annahme des Covid-19-Gesetzes besteht weiterhin die Möglichkeit, Zertifikate auszustellen, die im internationalen Reiseverkehr gültig sind.

Obwohl die Stimmbeteiligung im Vergleich zur letzten Abstimmung über das Covid-19-Gesetz im November 2021 deutlich tiefer ausfiel (-23,2 Prozentpunkte), bleibt der Ja-Anteil weiterhin bei rund 62 Prozent. Das Stimmverhalten zum Covid-19-Gesetz zeigte sich bei der Abstimmung am 18. Juni 2023 in Bezug auf die politischen Merkmale stärker polarisiert: Die Zustimmung im linken Lager und die Ablehnung im rechten Lager nahmen zu. Zudem ist der Ja-Anteil der SVP-Sympathisierenden gesunken (-8 Prozentpunkte). Bei den Sympathisierenden der restlichen grossen Parteien war ein Zuwachs der Zustimmung zu erkennen. Staatskritische Personen lehnten das Covid-19-Gesetz weiterhin deutlich ab.

Dies belegen die Resultate der Befragung von 3’143 Stimmberechtigten der VOX-Analyse Juni 2023. Die Studie wurde von gfs.bern durchgeführt und von der Bundeskanzlei finanziert.

Weitere Informationen zur Studie sowie die Berichte finden Sie auf: www.vox.gfsbern.ch


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Corina Schena

Corina Schena

Junior Projektleiterin