Mit künstlicher Intelligenz in eine vielversprechende Zukunft: Das Gesundheitswesen im Hype Cycle

22.03.2024 | Tobias Keller, GFS Bern

Die Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen steckt aktuell noch in den Kinderschuhen. Die Technologie hat jedoch bereits erste Verbesserungen in der Patientenversorgung ermöglicht und verspricht, die Effizienz und Effektivität des Gesundheitssystems in den kommenden Jahren weiter zu steigern. Dieses Potenzial wird von der Bevölkerung und Gesundheitsfachpersonen erkannt. Das zeigen die Resultate des Swiss eHealth Barometers, das knapp 1’500 Gesundheitsfachpersonen und rund 1’700 Personen der Schweizer Bevölkerung befragt hat.

Aktuell befinden sich im Gesundheitswesen verschiedene Technologien in unterschiedlichen Entwicklungsstadien – von bereits anerkannten und im Alltag angewendeten Angeboten bis hin zur KI als Hoffnungsträgerin. Um die Technologien und deren Werdegang zu veranschaulichen, kann auf den Hype Cycle von Gartner zurückgegriffen werden (siehe Box). Damit können aktuelle Technologien und Anwendungen zur Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens (kurz: eHealth) in ihrem aktuellen Lebenszyklus eingeschätzt werden. Denn von der Euphorie neuer Technologien, wie sie bei KI-Themen aktuell beobachtet wird, bis zur regelmässigen und effektiven Anwendung dauert es meist eine längere Zeit und verläuft oftmals nicht ohne Hürden.

Grosser Hype um KI-Anwendungen

Bei der Einführung neuer Technologien entsteht meist ein Hype um deren Potenzial. Das ist die erste Phase des Lebenszyklus bei neuen Technologien gemäss dem Hype Cycle von Gartner. In der Medienberichterstattung zu Anwendungen und Technologien mit KI ist dies oftmals der Fall. Aber nicht nur in der Medienberichterstattung, auch bei Gesundheitsfachpersonen und der Bevölkerung ist dieser Hype zu sehen: Das eHealth Barometer 2024 zeigt, dass die Bekanntheit möglicher Anwendungsbereiche von KI im Gesundheitswesen bei den Gesundheitsfachpersonen bereits weit fortgeschritten ist. Rund zwei Drittel haben mindestens von fünf Anwendungsfällen von KI gehört und knapp jede zehnte Gesundheitsfachperson wendet sie bereits in einer Form an. Bei der Bevölkerung ist die KI die grosse Unbekannte, der jedoch grosses Potenzial zugeschrieben wird. Technologien um KI im Gesundheitswesen sind aktuell in einem Hype. Dieser Hype wird mindestens in gewissen Anwendungsbereichen über kurz oder lang abreissen.

 

Weiterentwicklung des EPD unausweichlich

Gemäss dem Hype Cycle neuer Technologien folgt auf den Hype eine Ernüchterung, das sogenannte «Tal der Enttäuschungen». Eine Anwendung, Technologie oder Software kann nicht alle Erwartungen erfüllen. Viele Technologien gehen nach dem Hype durch einen «Reality Check», um später die Phase der produktiven Anwendung und Akzeptanz zu erreichen. Das elektronische Patientendossier (EPD) befindet sich aktuell in dieser Phase. Gesundheitsfachpersonen sind skeptisch zum EPD eingestellt. Sie erkennen den grundsätzlichen Nutzen eines EPD, sind aber mit der aktuellen Umsetzung nicht zufrieden. Um vom sogenannten «Tal der Enttäuschungen» zur Phase der produktiven Anwendung zu gelangen, muss das EPD durch kontinuierliche Verbesserungen, Anpassungen an reale Bedürfnisse, erfolgreiche Anwendungsfälle und erhöhte Akzeptanz bei den Gesundheitsfachpersonen ihre Zuverlässigkeit und ihren Nutzen unter Beweis stellen. Die Revision des EPDG zielt genau darauf ab, die angesprochenen Probleme zu lösen und soll den Weg zum «Plateau der Produktivität» ebnen.

 

Erfolgsgeschichte erster Digitalisierungen

In der letzten Phase des Lebenszyklus einer neuen Technologie erreicht sie die Phase der produktiven Anwendung (d.h. «Plateau der Produktivität»). Dieses Plateau haben schon einige Digitalisierungsvorhaben im Gesundheitswesen erreicht. Zum Beispiel die elektronische Krankengeschichte: Aktuell nutzen über 80 Prozent der befragten Gesundheitsfachpersonen ein digitales System für ihre Daten. Die Mehrheit erkennt zudem mittleres bis sehr grosses Potenzial in eHealth für ihren Arbeitsalltag. Die digitale Aufgeschlossenheit zeigt sich ebenfalls bei der Bevölkerung. Sind digitale Angebote aus dem Gesundheitswesen (z.B. Notruf-Apps) der Bevölkerung bekannt, zeigt die Mehrheit der Befragten Interesse an deren zukünftiger Nutzung oder nutzt sie bereits. Die Potenziale der Digitalisierung werden anerkannt – und in vielen Fällen von Gesundheitsfachpersonen und der Bevölkerung genutzt.

 

Lebenszyklen von Technologien berücksichtigen

Die Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen schreitet weiter voran, wobei die Technologien und Anwendungen in unterschiedlichen Lebenszyklen sind. Das erklärt auch zum Teil die unterschiedlichen Erwartungshaltungen und unterschiedlichen Bewertungen dieser Digitalisierungsfortschritte. Gewisse Anwendungen im Bereich eHealth sind bereits etabliert, andere stecken noch in den Kinderschuhen. Umso wichtiger ist es deshalb, Technologien und Anwendungen in ihren Lebenszyklen verorten zu können. So können Erwartungshaltungen kontextualisiert werden. Ausserdem können dank der Verortung einer Technologie in ihrem Lebenszyklus die Erfahrungen aus der Implementierung und Akzeptanz etablierter Digitalisierungsprojekte als wertvolle Lerngrundlage dienen, um die Einführung und Integration zukünftiger Technologien effektiver zu gestalten.

 

Weitere Resultate der Gesundheitsfachpersonenhttps://cockpit.gfsbern.ch/de/cockpit/ehealth-gesundheitsfachpersonen-2024/

Weitere Resultate der Bevölkerung: https://cockpit.gfsbern.ch/de/cockpit/ehealth-bevoelkerung-2024/

 

 

Erklärung zum Hype Cycle von der Forschungs- und Beratungsfirma Gartner:

Der Hype Cycle von Gartner ist ein grafisches Modell, das die Lebenszyklen von Technologien anhand ihrer Entwicklungsstadien von der ersten Begeisterung bis zur produktiven Anwendung und Akzeptanz darstellt. Folgende Etappen durchläuft jede Technologie der Reihe nach durch: Vom «Innovationsauslöser» über den «Gipfel der überzogenen Erwartungen», das «Tal der Enttäuschungen», den «Pfad der Erleuchtung» bis hin zum «Plateau der Produktivität».


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Tobias Keller

Tobias Keller

Projektleiter und Teamleader Data Analytics