Trotz inhaltlichem Rückhalt führten Komplexität und Ungewissheit zur Ablehnung der DETTEC - Nachanalyse zur Freiburger Abstimmung vom 12. November 2023

27.03.2024 | Martina Mousson, GFS Bern

Am 12. November 2023 haben die Freiburger Stimmberechtigten die Behördenvorlage «Aufgabenentflechtung zwischen Staat und Gemeinden» mit Schwerpunkt im Sozialen und Gesundheitswesen, kurz DETTEC, mit 56.2 Prozent Nein abgelehnt. Die Vorlage beabsichtigte eine Aufgabenneuverteilung zwischen dem Kanton und den Gemeinden nach dem Subsidiaritätsprinzip. Nach dem Nein, wollte der Kanton mehr über die Gründe für die Ablehnung erfahren. Zusätzlich wurde mit Blick auf die nahe Zukunft analysiert, wie die Freiburger Stimmbevölkerung zum Gesundheitswesen steht und welche Einstellungen sie zur Initiative «Für bürgernahe öffentliche Spitalnotaufnahmen 24/24» und deren Gegenvorschlag vertreten.

Nachanalyse Abstimmung

Nachanalyse DETTEC

Erschwerte Meinungsbildung

Die Meinungsbildung zur DETTEC-Vorlage fiel den Freiburger Stimmberechtigten alles andere als leicht. Eine komplexe, alltagsferne Vorlage, deren Folgen nicht abschliessend einschätzbar waren, traf auf Misstrauen seitens verschiedener politischer Akteure. Unter dem Strich mündeten diese Faktoren in eine vergleichsweise tiefe Stimmbeteiligung.

Die Informationsarbeit der Behörden wurde als spärlich empfunden. Der Grossteil der Stimmberechtigten findet, Staatsrat und Behörden hätten im Vorfeld zu wenig informiert. Inhaltlich halten sich Kritik an der Behördeninformation (zu einseitig) und Lob (neutral) die Waage. Die glaubwürdigsten Akteure bezüglich der DETTEC-Vorlage waren aus Sicht der Urnengänger:innen die Spitex sowie die Gemeinden mit ihren Verwaltungen und erst in zweiter Linie Akteure auf kantonaler Ebene. Von einer Mehrheit als unglaubwürdig beurteilt wurden lediglich die Parteien.

Abstimmungsverhalten zur DETTEC

Der Abstimmungsentscheid zur DETTEC war primär politisch geprägt, soziodemographische Variablen spielten eine klar nebensächliche Rolle. Dabei gibt es kaum Indizien dafür, dass jene, die dem Staatsrat misstrauen, überdurchschnittlich mobilisiert waren für diesen Urnengang. Nahmen die Politikmisstrauischen jedoch teil, dann wurde die Vorlage von ihnen abgelehnt. Knapp getragen wurde das Vorhaben von Teilnehmenden mit Vertrauen in den Freiburger Staatsrat sowie von Sympathisant:innen der Mitte-Parteien. Die Ablehnung hingegen fiel bei den Anhänger:innen der SP und bei den Parteilosen am deutlichsten aus, gefolgt vom SVP-Lager. Der Zangengriff gegen die DETTEC-Vorlage von links und rechts obsiegte somit letztlich an der Urne.

Ungleichbehandlung und Kostenüberlegungen als Fallstricke

Die Idee der Aufgabenentflechtung findet Gehör bei einer relativen Mehrheit der Stimmberechtigten, aber die Umsetzung wurde als schlecht beurteilt. Die wichtigsten Argumente für ein Nein an der Urne waren Sorgen um eine Ungleichbehandlung der reichen und armen Gemeinden, die Notwendigkeit von vorgelagerten Reformen bei den einzelnen Aufgaben sowie Kostenüberlegungen. Ein Ja hingegen war am ehesten zu erwarten, wenn sich die Urnengänger:innen von einem Ja zur Vorlage die Stärkung der Gemeinden in ihrer Aufgabenerfüllung, eine klarere Aufgabenteilung, eine bessere Leistungserbringung ohne Kostenfolge für die Steuerzahlenden sowie den Erhalt der kantonalen Aufsicht über die Gemeinden versprachen.

Freiburger Gesundheitswesen

Im Juni 2024 werden Freiburger Stimmberechtigte über drei Vorlagen die das Freiburger Gesundheitswesen betreffen zu entscheiden haben. Im Rahmen der DETTEC-Nachanalyse wurde entsprechend auch ein Blick in die Zukunft geworfen:

Wahrnehmung Gesundheitswesen

Die Freiburger Stimmberechtigten sind im Grossen und Ganzen zufrieden mit der Qualität ihres Gesundheitswesens. Der schweizweite Vergleich fiel nicht allen Stimmbürger:innen leicht, da fast die Hälfte keine Antwort geben konnte oder wollte. Wurde ein Vergleich gemacht, dann war eine relative Mehrheit der Meinung, dass das eigene Gesundheitswesen schlechter abschneidet.

Initiative und Gegenvorschlag kaum bekannt

Die Volksinitiative «Für bürgernahe öffentliche Spitalnotaufnahmen 24/24»  sowie der ausgearbeitete Gegenvorschlag sind zum Befragungszeitpunkt zwei Dritteln der Stimmberechtigten noch nicht bekannt. Die Investition des Freiburger Spitals in den geplanten Spitalneubau wird von einer absoluten Mehrheit unterstützt. Das gleiche gilt für das damit verbundene Darlehen und die Bürgschaftsabsicht des Kantons Freiburg.

Argumente: Handlungsdruck vs. Wirtschaftlichkeit

Gesundheit ist ein gleichermassen privates wie auch öffentliches Thema. Im Privaten ist Gesundheit ein hoch emotionales und existentielles Thema. Die öffentliche Diskussion wird geprägt von Kosten und deren Belastung. Die Initiative punktet weil sie das menschliche Grundbedürfnis nach Sicherheit (im Notfall) bedient. Der Gegenvorschlag kann mit Wirtschaftlichkeit trumpfen. Beides ist im Kontext der Gesundheitsversorgung relevant, denn die hohen Kosten sind auch für viele Freiburger Haushalte belastend. In diesem Spannungsfeld von Qualität, Versorgungssicherheit, Kosten und Qualität wird die Diskussion um die Verfassungsinitiative «Für bürgernahe öffentliche Spitalnotaufnahme 24/24» und den Gegenvorschlag dazu stattfinden. Eine hohe Sensibilität der stimmberechtigten Freiburger:innen darf dabei in Bezug auf Kosten und Qualität der Versorgung angenommen werden. Das zeigen die Einschätzungen zu den Argumenten.

Hier gehts zum Kurzbericht mit integriertem Download des Schlussberichts: https://cockpit.gfsbern.ch/de/cockpit/nachanalyse_dettec/

 


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Martina Mousson

Martina Mousson

Projektleiterin