Abgelehnte Initiativen: der Normalfall?

09.06.2024 | Tobias Keller, GFS Bern

Am Abstimmungssonntag vom 9. Juni 2024 hat die Stimmbevölkerung drei Volksinitiativen abgelehnt: Nein zur Prämienentlastungs-Initiative, Nein zur Kostenbremse-Initiative und Nein zur Freiheitsinitiative. Somit wurden drei von drei Initiativen abgelehnt. Ist das die Regel? Ein Rückblick zeigt: Initiativen hatten schon immer einen schweren Stand.

Anteil angenommener Initiativen seit 1893

Insgesamt wurden bis heute erst 26 Initiativen angenommen. Die erste Initiative, die angenommen wurde, hat sich «für ein Verbot des Schlachtens ohne vorherige Betäubung» eingesetzt. Das war 1893. Bis ins Jahr 2000 schafften dies nur sehr wenige Initiativen: Gerade einmal zwölf Initiativen waren erfolgreich (von 127, d.h. ca. 9%). Zum Beispiel waren das Initiativen «zum Schutz der Moore» oder auch «für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag (1. August-Initiative)».

 

Von 2000-2019 höhere Erfolgschancen

In der Zeit von 2000 bis 2019 konnten sich dann deutlich mehr Initiativen durchsetzen als im Jahrhundert davor. Ab 2000 konnten sich zehn Initiativen durchsetzen: Darunter waren Initiativen wie «gegen den Bau von Minaretten», «gegen die Abzockerei» oder «Schluss mit dem uferlosen Bau von Zweitwohnungen». Mit zehn gewonnenen Initiativen ergibt sich eine Erfolgsquote von 11 Prozent für den Zeitraum 2000 bis 2019.

 

Initiativen mit grossem Erfolg ab 2019

In der Legislatur von 2019 bis 2023 erhöhte sich die Erfolgsquote dann auf 23 Prozent. Drei Initiativen wurden angenommen: Das Verhüllungsverbot, die Pflegeinitiative und die Initiative zur Tabakwerbung. Wenn die Erfolgschancen von Initiativen auf rund einen Viertel steigen, stellt sich die Frage, ob Initiativen grundsätzlich immer häufiger mehrheitsfähig werden oder ob es an der speziellen Situation während der COVID-19-Pandemie lag. Zumindest die Pflegeinitiative und die Initiative zur Tabakwerbung konnten von der COVID-19-Pandemie profitieren.

 

2024 mit historischem Initiativ-Erfolg

2024 startete mit einem Meilenstein für Initiativen: Die 13. AHV-Renteninitiative wurde klar angenommen. Wie in der Legislatur zuvor konnte die aktuelle Stimmung der Initiative verhelfen: Denn die Bevölkerung beschäftigte sich stark mit der Erhöhung der Mietpreise, Hypothekarzinsen und Mehrwertsteuer. Die zweite Initiative im März – die Renteninitiative – wurde jedoch abgelehnt. An der Abstimmung im Juni 2024 gab es wieder einen Dämpfer für Initiativen: Die Freiheitsinitiative sowie die Prämienentlastungs-Initiative wurden abgelehnt. War die 13. AHV-Rente ein Ausreisser?

 

Entwicklung vermutlich gegen 10 Prozent

Nach zwei Abstimmungsterminen in der aktuellen Legislatur liegen die Erfolgschancen von Initiativen bei 20 Prozent. Damit liegt der Wert zwar deutlich höher als vor 2000, aber die Erklärung könnte auch sein, dass das Ja zur 13. AHV-Rente ein Spezialfall war. Das Nein zur Prämienentlastungs-Initiative spricht zumindest dafür, dass die Kaufkraft-Thematik weniger stark mobilisiert als noch im März und somit das Ja zur 13. AHV-Rente ein Ausreisser war. Seitdem Ja zur 13. AHV-Rente wurde sehr intensiv über die Probleme der Bundesfinanzen diskutiert. Entsprechend ist es gut möglich, dass sich der Anteil Ja zu Initiativen wieder in Richtung 10 Prozent entwickelt.


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Tobias Keller

Tobias Keller

Projektleiter und Teamleader Data Analytics