Ständeratswahl mit eigener Dynamik:
Mitte mit Vorteil für zweite Wahlgänge

22.10.2023 | Marco Bürgi, GFS Bern

Am Ende des heutigen Wahlsonntags konnten 31 der 46 Sitze im Ständerat besetzt werden, in 10 Kantonen wird es zu einem zweiten Wahlgang kommen. Die Mitte geht mit Vorteilen in die zweiten Wahlgänge und könnte so ihre Vormachtstellung im Ständerat verteidigen.

Die Ständeratswahl folgt in vielen Kantonen einer eigenen Logik

Trotz äusserst erfolgreichem Abschneiden in den Nationalratswahlen bleibt es für die SVP beim Sitzgewinn von Esther Friedli in St. Gallen, der bereits im April gewonnen und nun heute bestätigt wurde. In Zürich und in Fribourg haben die beiden SVP Kandidaten lediglich Aussenseiterchancen. Alles andere als eine Bestätigung der bisherigen in Bern und Tessin sowie die Verteidigung des Sitzes im Aargau käme einer grossen Überraschung gleich.

Die FDP hat in Schwyz mit dem Sitzgewinn durch Petra Gössi für eine der Überraschungen des Tages gesorgt, muss aber mit der Abwahl von Philippe Bauer in Neuenburg auch eine Niederlage, die so nicht erwartet wurde, verkraften. Können ihre Kandidatinnen in Zürich und in Fribourg ihre Sitze verteidigen, bleibt es somit bei 12 Sitzen in der kleinen Kammer für die FDP. Mit einem Sieg von Alex Farinelli im Tessin, würde sogar ein Ausbau der Ständeratsfraktion drin liegen.

Die Mitte muss in Schwyz eine bittere Niederlage hinnehmen, der bisherige Othmar Reichmuth wird abgewählt. Allerdings steigt die Partei in vielen zweiten Wahlgängen mit guter Ausgangslage ins Rennen: In Fribourg, wo in der der abgelaufenen Legislatur ein Sitz erobert werden konnte, im Wallis mit zwei bisherigen Kandidat:innen, sowie im Tessin, wo ein Sitzgewinn winkt, befinden sich die Mitte Politker:innen in der Favoritenrolle. Wenn alle diese Rennen gewonnen werden, könnte die Mitte somit gegenüber 2019 einen Sitz zulegen und so ihre starke Position im Ständerat halten.

Die SP korrigiert einen Teil der Verluste der laufenden Session. Nachdem die SP während der vergangenen Session zwei Sitze abgeben musste (Fribourg an die Mitte; St. Gallen an die SVP) und im Tessin eine Vakanz hatte, konnten die Genossen in den beiden Westschweizer Kantonen Neuenburg und Waadt je einen Sitz erobern. Insbesondere mit dem Sitzgewinn durch Baptiste Hurni in Neuenburg konnte im Vorfeld der Wahl nicht gerechnet werden. Auch in den grossen Kantonen Zürich (Daniel Jositsch als einziger im 1. Wahlgang gewählt) und Bern (Flavia Wasserfallen vor Werner Salzmann auf dem ersten Platz) schnitten die Kandierenden der SP sehr gut ab. Allerdings zeichnen sich auch bei den Sozialdemokraten empfindliche Verluste ab: im Tessin kann der vakante Sitz voraussichtlich nicht gehalten werden und auch in Solothurn muss trotz ansehnlichem Abschneiden von Franziska Roth um den bisherigen Sitz weiter gebangt werden.

Die Grünen verlieren wahrscheinlich in der Waadt einen Ständeratssitz und müssen auch in Genf in den zweiten Wahlgang, wobei sie dort mit Lisa Mazzone in einer guten Ausgangslage befinden.

Die politische Mitte kommt somit voraussichtlich als grosse Gewinnerin aus der Ständeratswahl und kann ihre Vormacht in der kleinen Kammer ausbauen. An den Polen konnte die Rechte ihre Sitze leicht auf Kosten der Ratslinken ausbauen, die Verschiebungen halten sich aber insgesamt in Grenzen.

Helvetia hat am heutigen Wahlsonntag immerhin im Ständerat Grund zur Freude: Mit Petra Gössi und Esther Friedli konnten im Vergleich zu 2019 zwei Kandidat:innen bisherige Männersitze erobern. Auch in den zweiten Wahlgängen gibt es mit Flavia Wasserfallen in Bern Frauen in der Favoritenrolle und mit Regine Sauter in Zürich und Franziska Roth in Solothurn weitere Kandidatinnen mit realistischen Chancen einen bisherigen Männersitz zu übernehmen und so den Frauenanteil von bisher 12 auf neu 15 der 46 Sitze zu heben, was einem Anstieg auf 32.6 Prozent entsprechen würde(+6.5 Prozentpunkte).


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Marco Bürgi

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